Holz-Bauer Gropyus Delivery-Hero-Gründer will das Bauen neu erfinden

Auch im Inneren des neuen Hochhauses dominiert Holz. Quelle: PR

Im Betonbau sind vorgefertigte Baumodule aus der Fabrik längst etabliert. Nun wird das Konzept erstmals auf Holz übertragen – und könnte das ökologische Bauen radikal vergünstigen. 

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Der erste Blick aus der Ferne täuscht. Denn in Höhe und Ausmaßen ähnelt der neue Wohnblock am Rand des mittelrheinischen Städtchen Weißenthurm bei Koblenz seinen Nachbarbauten. Bei genauem Hinschauen aber hebt sich der neungeschossige Bau deutlich ab von den beiden Wohnblöcken daneben: Den Neubau verkleiden Fassadenmodule aus Holz und Solarpaneele statt des gräulich-weißen Mineralputzes nebenan. 

Die Besonderheiten setzen sich im Inneren fort. Der 2022 fertiggestellte Wohnblock besteht, statt aus Mauerwerk und Beton, zum größten Teil aus Holz. Und nicht bloß das: Der Bauherr, das deutsch-österreichische Start-up Gropyus, hatte die Bauteile für Wände, Böden und Denken des Baus weitgehend in seiner Fabrik bei Heilbronn vorproduziert. Danach haben die Monteure die Module, wie Elemente eines riesigen Holzbaukastens, in gerade einmal elf Wochen komplett über alle neun Stockwerke montiert. Auf herkömmlichen Baustellen dauert solch ein Hochbau ein vielfaches der Zeit. 

Aus der Ferne unterscheiden sich die Hochhäuser kaum – außer vielleicht, dass das Holzhaus moderner aussieht. Quelle: PR

Geht es nach Markus Fuhrmann, soll das Konzept des industriellen Holzbaus künftig Schule machen. Es soll nicht bloß dazu beitragen, die wachsende Wohnungsnot mit rasch und kostengünstig zu errichtenden Neubauten zu lindern. Dank der Industrialisierung des Holzbaus will der Gropyus-Mitgründer den Einsatz nachhaltiger Baustoffe im Bau aller Arten von Wohngebäuden etablieren. Zudem will er die Wiederverwertung der Baustoffe nach dem Rückbau perfektionieren, dank eines von Beginn an für die sortenreine Trennung optimierten Konstruktionsprinzips. 

Das Haus produziert mehr Energie, als es verbraucht

„Ziel ist, die Bauelemente zu 90 Prozent vorgefertigt anzuliefern“, umreißt Fuhrmann seinen Anspruch bei Gropyus. Bei den reinen Baukosten könne das Unternehmen zwar noch nicht mit dem klassischen Betonbau mithalten. Dafür weise der Neubau in Weißenthurm über den gesamten Lebenszyklus gerade einmal fünf Prozent des Treibhauspotenzials herkömmlicher Referenzgebäude auf. Und dank der in die Fassade integrierten Fotovoltaik produziere der Wohnblock über seine Nutzungsdauer sogar mehr Energie als er verbrauche.

Vor allem aber will Fuhrmann Bauprojekte über die gesamte Wertschöpfungskette digitalisieren; vom Entwurf über die Vorproduktion der Module bis zum Betrieb und zur Steuerung der fertig installierten Wohnungen. „Bisher gibt es dabei jede Menge Prozess- und Medienbrüche, die das Bauen enorm ineffizient machen. Die wollen wir auflösen“, sagt Fuhrmann. Der gebürtige Wiener will sein Unternehmen daher auch als Technologie- und nicht als Baufirma verstanden wissen. 

Die Anleihe in der Tech-Szene hat ihren Grund. Immerhin war Fuhrmann Gründer des Essenslieferanten Lieferheld und baute in Berlin das zeitweilige Dax-Unternehmen Delivery Hero mit auf. Seit 2018 ist er als Investor aktiv und gründete schließlich 2019 das Start-up Gropyus, um das Innovations- und Effizienzpotenzial der Digitalisierung fürs Bauen zu erschließen.

Um den Lebenszyklus von Wohnprojekten vom ersten Entwurf der Baupläne über die Steuerung der Roboter bei der Fertigung der Module bis zum Betrieb der Wohnungen digital zu steuern, hat Gropyus eine eigene Softwareplattform entwickelt, die alle Prozessschritte abbildet. „Damit haben wir am Ende, wenn der Bau steht, nicht bloß einen umfassenden Materialpass mit allen darin gebundenen Wertstoffen parat, sondern zugleich einen digitalen Zwilling jedes Objektes erzeugt, der den fertigen Bau über den gesamten Lebenszyklus begleitet.“

Hätten Sie geahnt, dass das ein Holzhaus ist? Quelle: PR

Zur Produktion der Baumodule hatte Gropyus 2020 das Eppinger Leimbinderwerk in Richen bei Heilbronn mitsamt der rund 100 Mitarbeitenden übernommen, und so deren umfangreiche Erfahrung mit der Verarbeitung von Holz als Werkstoff an Bord geholt. Rund vier Fünftel der Produktion von Gebäudeelementen finden inzwischen dort statt, was die maschinelle Fertigung ermöglicht und sie zudem wetterunabhängig macht. Alles in allem erlaube die automatisierte Vorproduktion, bei der Roboter die aus Tragbalken, Dämmung und Wandplatten bis hin zur Fassade und der Elektroinstallation bestehenden Bauelemente weitestgehend selbstständig herstellen, „eine Verkürzung der Bauzeit um rund die Hälfte“, rechnet Unternehmensgründer Fuhrmann vor.

3500 neue Wohnungen pro Jahr als Ziel

Noch befindet sich die Produktion im Hochlauf und die Gropyusgründer und -techniker optimieren noch kontinuierlich an ihren Anlagen und Abläufen. Doch mittelfristig will Fuhrmann mit seinem Wohnungswerk eine Produktionskapazität von mehr als 240.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche pro Jahr erreichen, was für rund 3500 neugebaute Wohnungen entspricht. Die wolle das Unternehmen für seine Kunden, beispielsweise Immobilienentwickler, Bestandshalter oder Wohnungsbaugesellschaften, realisieren, betont Fuhrmann. Man werde die Probleme nicht allein lösen können, suche daher weitere Partner und unterschreibe „trotz der akut schwierigen Lage am Bau weiter neue Projektaufträge.“



Und offenbar lockt der Plan vom durchdigitalisierten Bauen auch Geldgeber. Im Januar 2023 bereits hatte das Start-up Dank einer Series-B-Investorenrunde unter Federführung des Wohnungskonzerns Vonovia seine Finanzierung um rund 100 Millionen auf mehr als 200 Millionen Euro aufgestockt. Zu den früheren Geldgebern gehören auch der deutsche Investor Christian Angermayer und der Immobilienunternehmer Rolf Elgeti. Rund 300 Personen arbeiten inzwischen fürs Unternehmen.

40-Millionen-Euro-Kredit aus Luxemburg

Nun schießt auch die Europäische Investmentbank (EIB) einen mittleren Millionenbetrag zu. 40 Millionen Euro stellt die in Luxemburg ansässige EIB in Form eines Eigenkapital-ähnlichen sogenannten „Venture Debt“ zur Verfügung. „Damit der grüne Wandel auch im Wohnungssektor vorankommt“, sagt EIB-Vizepräsidentin Nicola Beer, „brauchen wir Unternehmen wie Gropyus, die auf nachwachsende Rohstoffe setzen und gleichzeitig effizientes Bauen in Deutschland und Österreich voranbringen.“ 

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Günstige klimafreundliche Wohnungen würden in Europa dringend benötigt, so Beer, deshalb fördere die EIB die Automatisierung in der modularen Wohnungsproduktion. Wo die Monteure die nächsten vorproduzierten Wohnmodule zu kompletten Häusern verbinden, steht unterdessen schon fest. In Immendingen in der Nähe des Bodensees soll ein Komplex aus neun viergeschossen Mehrfamilienhäusern mit mehr als 100 Wohneinheiten entstehen, ebenfalls größtenteils aus Holzelementen. Mit dem Bau soll es in Kürze losgehen.

Lesen Sie auch: Der Wohnungsbau steckt tief in der Krise: Unter dem Titel „Einfacher bauen“ fordert die Branche nun endlich Reformen. Und macht in einem neuen Gutachten konkrete Vorschläge.

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