Olaf Scholz Wenn der Kanzler eine Aktie wäre, er würde sich kaufen

Symbolisches Boßeln am zukünftigen Standort der Northvolt-Fabrik: Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister, Peter Carlsson, CEO und Gründer Northvolt, Olaf Scholz, Bundeskanzler, Veronika Wand-Danielsson, Botschafterin Schweden, Daniel Günther, Ministerpräsident Schleswig-Holstein (v. li.) Quelle: imago images

Es gibt sie noch, die guten Tage im Leben des Olaf Scholz: erst ein industriepolitischer Paukenschlag im Norden, dann ein harmonischer Besuch in Slowenien. Unterwegs mit einem Mann, der sonst schwer zu kämpfen hat.

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Wenn man nur die Bilder kennt, ist es schwer zu glauben, aber der Montag dieser Woche ist ein ganz ausgezeichneter Tag im Leben des Kanzlers. Da steht also Olaf Scholz eingerahmt von Robert Habeck und Daniel Günther, daneben der Chef des schwedischen Batterieunternehmens Northvolt und seine Botschafterin, und soll boßeln. Boßeln, muss man wissen, ist üblicherweise das weite Werfen einer Kugel und dient im Norddeutschen nicht selten als Vorwand, um ordentlich einen zu trinken. Hier in Heide in Schleswig-Holstein ersetzt es aber auch schon mal den Spatenstich – für das erste deutsche Northvolt-Werk.

Ein Moment der Freude für die entschlossenen Industriepolitiker der Ampel. Ein mit Millionen-Subventionen erkauftes Ausrufezeichen gegen all die Nörgler und Standortschlechtredner da draußen. Hurra, wir können noch was! Schade nur, dass man es dem Kanzler nicht ansieht. Habeck und Günther hingegen, ach, der Wirtschaftsminister und der Ministerpräsident wissen gar nicht wohin mit ihrem Heimatstolz und ihrer überaus entschlossen vorgetragenen Boßelwurfdynamik. Da sieht Scholz neben ihnen so aus, als würde er im Provenceurlaub bei einer Runde Boule reinschnuppern. Er freut sich mehr nach innen.

Immerhin seiner Rede ist dann zu entnehmen, warum er den Weg an die Nordseeküste nur zu gerne antreten haben dürfte. „Das ist eine Gegend, die ich gut kenne und die mir dementsprechend auch am Herzen liegt. Mir gefallen die Weite, das windige Wetter, die See und die direkte und pragmatische Art der Offenheit hier oben im Norden“, sagt Scholz fast schon schwärmerisch, und nun sei das „hier ein Ort, der Zuversicht ausstrahlt“.

Die Gesamtkrisenlage ist bedrückend: In Europa fehlt die Kriegsführung. Und in Deutschland der wirtschaftspolitische Impuls. Experten warnen: „Wir sind in einer äußerst prekären Lage.“
von Daniel Goffart, Max Haerder, Sonja Álvarez

Versprochen – gehalten

Kein Wunder, aus Sicht von Scholz löst die schwedische Investition samt 3000 neuen Jobs schließlich ein Versprechen ein, das er gegeben hat: Industrie und Klimaschutz schließen sich nicht aus, grüner Wohlstand ist sehr wohl möglich und die Bundesrepublik nicht das abgeschriebene Land, verdammt zum Abstieg, zu dem es gerade einige machen wollen. Für einen kurzen Moment sind die Konjunktursorgen vertrieben, klingen die Studien und Zahlen zum schleichenden Substanzverlust der Wirtschaft weniger akut. 

Der Kanzler referiert dann auch ausführlich, was seine Regierung in Sachen Wandel alles angestoßen habe, vom Netzausbau bis hin zu Genehmigungsoffensiven. Das Wort „seine“ darf man sich dabei gerne in Großbuchstaben denken. „Das alles geschieht also“, sagt Scholz, „und deshalb glaube ich, dass alle ein bisschen Hoffnung haben können, weil wir das Tempo aufgenommen haben, das nötig ist, damit wir am Ziel anlangen, und weil die Zuversicht, die wir für so eine große Modernisierung unserer Volkswirtschaft brauchen, auch tatsächlich entsteht.“

Zuversicht, da taucht sie schon wieder auf. Neben Fachkräften dürfte sie die Ressource sein, die dem Land gerade am meisten fehlt. Dass die dazugehörige miese Stimmung und der Vorwurf, sie habe nicht zuletzt etwas mit ihm zu tun, auch an Scholz nicht spurlos vorübergeht, war in den vergangenen Wochen kaum zu übersehen. Er wurde lauter, bisweilen giftig, für seine Verhältnisse geradezu emotional, egal ob im innenpolitischen Clinch oder der Ukrainedebatte. In einer Bundestagsdebatte nannte er CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz jüngst eine „Mimose“, die deutsche Waffenlieferdebatte nannte er „peinlich“ – freilich ohne zu sagen, wen oder was genau er meinte. Patzer wie jüngst beim Taurus taten ihr Übriges, um den Eindruck zu verfestigen, dass hier jemand schwer zu kämpfen hat. Mit sich. Den Kritikern. Der Weltlage.

Welch ein Kontrast dazu der Ausflug an die norddeutsche Küste – und auch der Trip, den Scholz einen Tag später unternimmt, nach Slowenien. Für ein paar Stunden wirkt das Kanzlersein auch dort schlüssig, bündig und gelungen.

Unter ziemlich besten Freunden

Das Wetter spielt zwar nicht mit, als Scholz am gestrigen Dienstagnachmittag in Ljubljana landet. Dicke Wolken blockieren den freien Blick auf die Gipfel der Karawanken. Aber das macht nichts, er ist zu Gast bei einem Freund. Der Besuch bei Premier Robert Golob auf dem Renaissance-Schloss Brdo ist Beziehungspflege der sehr angenehmen Art. Man ist sich in fast allen Fragen einig, ob nun europa- oder geopolitisch, eine Ausnahme bildet eigentlich nur die Haltung im Gazakonflikt. Der deutsch-slowenische Panzer-Ringtausch gehörte in der Anfangszeit des Krieges zu den ersten größeren Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine. Und Scholz‘ intensiver Einsatz für die EU-Aufnahme der Westbalkanländer wird hier ohnehin überaus geschätzt.

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Das merkt man. Golob erinnert daran, dass zuletzt vor 13 Jahren Angela Merkel in Slowenien zu Besuch war, er dankt Scholz „für seine Führungsposition“ in Europa und bezeichnet die Zusammenarbeit als „mustergültig“. Sowas hört der auch nicht so oft. Scholz bedankt sich beim „lieben Robert“, und betont, dass man in „vielen Fragen gleichgesinnt“ sei. „Das kann man nicht für jedes Land sagen, aber das ist hier ganz offensichtlich der Fall. Deshalb ist das ein Besuch bei Freunden, über den ich mich, wie gesagt, sehr gefreut habe.“ Handshake, Abgang, das Dinner wartet.

Olaf Scholz findet ja, dass seine Arbeit und die Leistung seiner Koalition oft verkannt werden. Nun ist das Ausmaß der Kritik, dass dem Amt generell von so vielen Seiten entgegenschlägt, ohnehin schon groß. Er wird, anders als zumindest Merkel in ihren letzten Jahren, auch nicht von einer Aura der präsidentiellen Unantastbarkeit geschützt. Zugleich besitzt der SPD-Regierungschef bei aller immer wieder mal hervorbrechenden Dünnhäutigkeit eine bemerkenswerte Resilienz in Bezug auf sein Selbstbild.

Auf dem Rückflug nach Berlin, der Regierungsairbus überquert am späten Abend gerade Tschechien, kommt Scholz noch einmal in den hinteren Teil des Fliegers, zum traditionellen Hintergrundgespräch. Aus diesem wird ebenso traditionell nicht zitiert, weder direkt noch indirekt, aber einen Eindruck darf man transportieren: der Kanzler ist mit sich im Reinen, aller fürchterlicher Krisen und drückender Konflikte zum Trotz, bisweilen geradezu angriffslustig. 

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Wenn er eine Aktie wäre, er würde sich selber kaufen. Oder, um in der Sprache der Märkte zu bleiben: Olaf Scholz ist ganz schön bullish.

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